„Hallo“ oder nicht „Hallo“? – Das Dilemma der Hundebegegnung

Hundebegrüßung

Hundehalter sind mit einer Situation wohl vertraut: Ein fremder Hund kommt im gestreckten Galopp näher, Blick fest auf den eigenen Hund gerichtet, die Rute hoch erhoben und jedes Muskels angespannt. Doch was bedeutet diese Annäherung wirklich? Will der Hund wirklich nur „Hallo“ sagen? In diesem Artikel beleuchten wir die Hintergründe solcher Hundebegegnungen und werfen einen Blick auf das komplexe soziale Verhalten unserer vierbeinigen Freunde.

Darum leben Hunde in Gruppen

Gemeinschaftlich erhöhen sich sowohl die Überlebens- als auch die Fortpflanzungschancen im Vergleich zum Einzelgänger-Dasein. Dieses soziale Miteinander bietet den Hunden klare Vorteile, da es die Möglichkeit schafft, Aufgaben zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die Mitglieder dieser Hunde-Gemeinschaft leben an einem bestimmten Ort, in ihrem eigenen Territorium. Dieses Territorium erfüllt den Zweck, den Hunden Sicherheit zu bieten, in dem sie geschützt schlafen, spielen, nach Nahrung suchen, sich ernähren, sich fortpflanzen und den Nachwuchs großziehen können.

Ähnlich wie bei den Vorfahren unserer Hunde, den Wölfen, wird das Territorium durch Markierungen mit Urin und Kot gekennzeichnet, um anderen Hundegruppen mitzuteilen, dass dieses Areal bereits besetzt ist. Es ist für die Hunde von entscheidender Bedeutung, diese Grenzen zu respektieren, da ein Hund, der nicht zur Gruppe gehört, höchstwahrscheinlich nicht freundlich aufgenommen wird. Ein Eindringling wird verjagt, da er entweder eine direkte Gefahr für die Gruppensicherheit oder indirekt für deren Ressourcen (wie Nahrung, Ruheplätze oder Wasser) darstellen würde. Die Markierung und das respektvolle Einhalten der Territoriumsgrenzen durch die Mitglieder der Gruppe dienen somit dazu, ernsthafte Konflikte zu verhindern. Hundebegegnungen wurden also tunlichst vermieden.

Hundebegegnungen aus der Hundeperspektive

Die Tatsache, dass wir mit unseren Hunden an Orten spazieren gehen, wo auf häufig andere Hunde spazieren gehen, bringt Herausforderungen für unseren Hund mi sich. Gerade an der Leine sind sie nicht in der Lage, eigenständig anderen Hunden aus dem Weg zu gehen. Hier beginnt das eigentliche Problem. Unbewusst überqueren wir dabei olfaktorische (geruchliche) Grenzen, ohne zu verstehen, welchen inneren Konflikt wir bei unseren Hunden auslösen können.

Außerdem üben wir Druck aus und lassen die Individualdistanz unseres Hundes unterschreiten, indem wir unsere Hunde dazu zwingen, Kontakt mit anderen Hunden zu haben, da uns beigebracht wurde, dass Hunde viele Sozialkontakte und Hundebegegnungen benötigen.

Dränge ich meinen Hund in derartige Situationen, kann schleichend eine Leinenaggression entstehen. Dies zeigt sich in Form von Bellen und Knurren gegenüber fremden Hunden, häufig schon aus der Ferne. Zudem hat man sich in seiner Führungsrolle disqualifiziert.

Aber warum zieht mich mein Hund zu anderen Hunden, wenn er eigentlich nicht unbedingt in Kontakt mit ihnen gehen will? Dahinter kann z.B. ein erlerntes Verhalten stecken. Wenn ich beispielweise meinen Hund von klein auf zu anderen Hunden geschickt habe, hat er es von Anfang an so gelernt, eigentlich gefallen ihm solche Situationen jedoch nicht.

Ein Hund, der bei Hundebegegnungen ängstlich, gestresst oder aggressiv reagiert, signalisiert, dass er solche Situationen meiden möchte. Dieses Verhalten sollte respektiert und nicht als Zeichen für fehlendes Sozialverhalten interpretiert werden.

Indem wir die Bedürfnisse und Präferenzen unseres Hundes respektieren, können wir dazu beitragen, dass er sich sicherer fühlt und uns vertraut, auch herausfordernde Situationen zu meistern. Er muss also seine Individualdistanz nicht selbst verteidigen, sondern lernt, dass der Mensch sich kümmert.

Betrachten wir das Ganze aus der menschlichen Perspektive!

In menschlicher Hinsicht funktioniert dies ähnlich. Wir schützen unsere Wohnungen mit verschließbaren Türen, unseren Garten mit stabilen Zäunen und unsere Bankkonten mit Passwörtern, um unsere Sicherheit und die Sicherheit unserer Besitztümer zu gewährleisten. Wir teilen unsere Ressourcen mit unserer eigenen sozialen Gruppe, jedoch empfinden wir es als unangenehm, wenn Fremde sich ungefragt aus unserem Kühlschrank oder unseren Konten bedienen. Wir würden es auch als unangenehm empfinden, wenn wir im Restaurant sind und sich ein Fremder bei uns an den Tisch setzt. Doch bedeutet dies, dass wir nicht sozial sind?

Wir würden uns selbst höchstwahrscheinlich als sozial bezeichnen, pflegen enge Beziehungen zu unserem Freundeskreis und bevorzugen Vertrautheit über oberflächlichen Kontakt.

Die Vorstellung, dass Sozialverhalten bedeutet, jeden Fremden freundlich zu begrüßen, entspricht daher nicht der Realität. Nach dieser Theorie wäre nur der Hund sozial, der sich über andere Hunde freut und der, der sich seine Freunde aussucht, wäre nicht sozial.

Braucht mein Hund Sozialkontakt?

Hundebegegnungen mit unbekannten Hunden sind in den meisten Fällen von Spannung geprägt. Um echtes Spiel zwischen Hunden zu ermöglichen, bedarf es häufig mehrerer Treffen in einer entspannten Umgebung. Damit Hunde wirklich miteinander spielen, brauchen sie vor allem Vertrauen zueinander.

Die Realität zeigt, dass fremde Hunde nur selten miteinander spielen. Das vermeintliche Spiel, das oft von Hundehaltern als solches interpretiert wird, ist eher ein hektisches Rumkaspern, das darauf abzielt, die Situation zu beruhigen. Tatsächlich hat dieses Verhalten wenig mit echtem Spiel zu tun. Wirkliches Spiel zeichnet sich durch ausgewogene Rollenverteilung und Interaktion aus.

Es ist wichtig zu begreifen, dass dein Hund keinen zwingenden Kontakt zu unbekannten Hunden benötigt. Was dein Hund vor allem benötigt, ist Interaktion mit seiner eigenen vertrauten sozialen Gruppe. Es ist völlig ausreichend, wenn dein Hund ein bis zwei vertraute Hundefreunde hat, die er regelmäßig trifft. Dies ermöglicht ihm, stabile Beziehungen aufzubauen und ein harmonisches soziales Umfeld zu erleben. Doch hier ist folgendes wichtig zu beachten: Hunde, die immer miteinander toben passen nicht zusammen. Hunde passen dann zusammen, wenn das Energielevel niedrig ist, wenig Dynamik vorhanden ist,  jeder sein eigenes Ding macht und sie nur gelegentlich ruhig miteinander interagieren wie z.B. gemeinsam schnüffeln.

Die Regeln das schon unter sich“

Wenn dir dieser Satz begegnet, ist Vorsicht geboten. Der Glaube, dass Hunde ihre Angelegenheiten unter sich klären, kann unschön enden und darüber hinaus kann man sich in der Führungsrolle disqualifizieren. Überlässt du deinen Hund in einer solchen Situation sich selbst und er gerät in Stress, hat dies Auswirkungen auf eure Beziehung. Für deinen Hund signalisiert es, dass er nicht auf dich zählen kann. Solche Hunde neigen dazu zu denken: „Ich muss selbst klarkommen, mein Mensch schreitet ja sowieso nicht ein.“

Wie wir sehen, steckt hinter dem scheinbar einfachen Akt des „Hallo“-Sagens eine komplexe Welt des sozialen Zusammenspiels. Ihr seid immer gut beraten, wenn ihr euren Hund nicht „Hallo“ sagen lasst.

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Lisa Dietzel

Hey, ich bin Lisa!

Als Hundeverhaltensberaterin zeige ich Hundehaltern, wie man zu einem harmonischen und starken Team wird!

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